Ein Punkt geht an die Versicherungslobby aus der Steinzeit

Christoph Huebner auf der BabyWelt in München

Den Pfründe-Bewahrern aus der Versicherungsvertreterlobby ist ein unerwarteter Coup gelungen: Die Regierungsmehrheit im Bundestag hat sich von deren kruder Argumentation blenden lassen und das Provisionsabgabgeverbot wiedereingeführt. Eltern werden aber auch weiterhin finanziell vom Abschluss über uns profitieren.

Derzeit befindet sich die nationale Umsetzung der europäischen Versicherungsvermittlerrichtlinie „IDD“ im Gesetzgebungsverfahren. Am vergangenen Freitag war neben der viel beachteten Ehe für alle und dem leider etwas weniger beachteten Netzwerk-Durchsetzungs-Gesetz auch das von der breiten Öffentlichkeit quasi überhaupt nicht beachtete „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb“ in der finalen Abstimmung in dritter Lesung. Schon diesen Freitag soll es auch im Bundesrat verabschiedet werden (959. Sitzung am 7. Juli 2017, Tagesordnungspunkt 105). Neben ein paar überfälligen Neuregelungen und diversen handfesten Verbesserungen im Sinne des Verbraucherschutzes – zum Beispiel die Stärkung der Honorarberatung – enthält das Papier aber auch ein düsteres Echo aus der Vergangenheit: Das in Deutschland zwischen 1934 und 2011 weltweit einmalige „Provisionsabgabeverbot“.

Bisher war diese verbraucherfeindliche Regelung aus der Nazizeit im Rahmen einer einfachen Verordnung in Kraft, die aber endlich 2011 von einem engagierten Verwaltungsrichter (Aktenzeichen: 9 K 105/11.F) schon in erster Instanz rechtskräftig umfassend verwaltungsrechtlich, wettbewerbs-, verfassungs- und europarechtlich in der Luft zerrissen wurde. Seither war auch im Versicherungsvertrieb möglich, was in jeder anderen Branche völlig normal ist: Die Nachfrager durften mit den Anbietern über den Preis reden.

Markus Herrmann, einer der beiden Geschäftsführer der Kind & Kinder Versicherungsvermittlungs-GmbH, schildert wie sich das auf die Praxis ausgewirkt hat: „Wir haben bereits 2012 direkt mit der Marke SelberMakler die Provisionsteilung für Versicherungsnehmer angeboten, die genau wissen, was sie wollen. Denn der Deal ist einfach: Wer uns viel Beratungsaufwand abnimmt, weil er sich schon umfassend selbst informiert hat, mit dem können wir auch unsere Vergütung fair teilen. Dabei haben uns Kunden in den letzten Jahren oft überrascht mit Abschlusswünschen nach echten Hochleistungsprodukten, die im Vermittlermarkt wegen ihrer niedrigen Provisionen keine allzu große Rolle spielen. Das Cashback verstehen diese Kunden als Belohnung für ihre eigene Vorleistung. Die Abschlussentscheidung hat das bei niemandem beeinflusst.“

„Das wäre auch eine sehr absurde Vorstellung“, ergänzt Christoph Huebner, der andere Geschäftsführer. „Welcher Kunde sollte sich wegen ein paar Euro mehr Cashback für einen lang laufenden Vertrag entscheiden, der nicht vorteilhaft für ihn oder sie ist? Und welcher Vermittler sollte sich auf dieses so offensichtliche Stornorisiko einlassen? Denn wenn der Vertrag innerhalb von 60 Monaten gekündigt wird, muss der Vermittler seine Abschlussprovision ja mindestens anteilig zurück bezahlen. Dieses Szenario ist also völliger Unsinn. Aber trotzdem war es das eine große Argument für die Wiedereinführung des Provisionsabgabeverbotes. Dass es in Wirklichkeit dazu dienen soll, die Vergütungen weiter zu verschleiern und den Versicherungsvermittlern unangenehme Fragen zu ersparen, ist mehr als offensichtlich.“

Christoph Huebner und Markus Herrmann auf der BabyWelt in Stuttgart

Christoph Huebner und Markus Herrmann auf der BabyWelt in Stuttgart

Doch seit 2012 hat die fortschrittsfeindliche Lobby der Versicherungsvertreter mit Zähnen und Klauen dafür gekämpft, diese allzu bequeme Regelung irgendwie wieder zu bekommen. Wir wissen nicht, mit welchen Mitteln sie es nun geschafft haben, aber auf dem Weg zum baldigen Inkrafttreten befindet sich nun dieser neue Paragraph 48b des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG):

§48b Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot
(1) Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlern im Sinne von § 59 Absatz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes ist es untersagt, Versicherungsnehmern, versicherten Personen oder Bezugsberechtigten aus einem Versicherungsvertrag Sondervergütungen zu gewähren oder zu versprechen. Dieses Verbot gilt auch für die Angestellten von Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlern. Eine entgegenstehende vertragliche Vereinbarung ist unwirksam.

(2) Eine Sondervergütung ist jede unmittelbare oder mittelbare Zuwendung neben der im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistung, insbesondere jede
1. vollständige oder teilweise Provisionsabgabe,
2. sonstige Sach- oder Dienstleistung, die nicht die Versicherungsleistung betrifft,
3. Rabattierung auf Waren oder Dienstleistungen,
Sofern sie nicht geringwertig ist. Als geringwertig gelten Belohnungen oder Geschenke zur Anbahnung oder anlässlich eines Vertragsabschlusses, soweit diese einen Gesamtwert von 15 Euro pro Versicherungsverhältnis und Kalenderjahr nicht überschreiten.

(3) Nicht als Sondervergütung gilt die Gewährung von Provisionen an Versicherungsnehmer, die gleichzeitig Vermittler des betreffenden Versicherungsunternehmens sind, es sei denn, das Vermittlerverhältnis wurde nur begründet, um diesen derartige Zuwendungen für eigene Versicherungen zukommen zu lassen.

(4) Absatz 1 findet keine Anwendung, soweit die Sondervergütung zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags verwendet wird. § 138 Absatz 2, § 146 Absatz 2 Satz 1, § 161 Absatz 1 und § 177 Absatz 1 bleiben unberührt.

Fachleute wie Anwalt Norman Wirth glauben nicht an eine große Zukunft dieses Paragraphen. Auf der eigenen Website schreibt die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte zum Provisionsabgabeverbot (abgerufen Mai 2021): „Das Provisionsabgabeverbot ist ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit sowie eine staatliche Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit. Das seit 1934 geltende Provisionsabgabeverbot ist rechtswidrig, auch nach geltendem Europarecht im Sinne des Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Hierzu beziehen wir uns auf die Entscheidungen des EuGH „Meng“ und „Ohra“ sowie hierzu erfolgte Kommentierungen.“

Denn all die Aspekte, die die alte Regelung gesetzwidrig gemacht haben, gelten ja auch für die neue Regelung. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser neuerliche Versuch, einer verstaubten Branche ihr biederes Omawohnzimmer wieder zu geben – während vor dem Fenster die digitale Zukunft mündiger und aufgeklärter Verbraucher längst begonnen hat – von einem Gericht gekippt wird.

Bis dahin müssen wir aber erst einmal mit den neuen alten Gegebenheiten arbeiten. Entsprechend wägen wir derzeit drei alternative Modelle ab, unser Angebot umzugestalten und an die neue Rechtslage anzupassen, sobald sie – voraussichtlich im Herbst 2017 – in Kraft tritt. Jedenfalls können Sie sicher sein: Neben unserer Spezialkompetenz für alle Fragen rund um die richtige Krankenversicherung Ihrer Kinder werden wir auch in Zukunft Abschlussprovisionen offen legen. Und es wird sich für Eltern auch weiterhin in erheblichem Maße unmittelbar lohnen, den Nachwuchs hier anzumelden. Das versprechen wir.